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Nr. 12/2013, Bremen, den 14.6.2013, Nr. 378,   11 Jahre kleinmexiko.de: Danksagung

Kampfzone Plakat (1)

        
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Plakatwerbung und 'wild' geklebte 'Sticker' prägen zu einem nicht geringen Teil das Bild der Stadt. Sie beeinflussen auf diesem Weg auch unser Denken. Ein Jahr lang habe ich Plakate fotografiert, die mir wegen der auf ihnen abgebildeten Gewalt aufgefallen sind. Die Motive erschienen mir aus verschiedenen Gründen wert analysiert zu werden.

  Es war nicht nur schiere Brutalität, die meine Aufmerksamkeit erregt hat: Es waren auch gewaltbeladene Umdeutungen von Begriffen oder bekannten 'Figuren'. Insgesamt hat es mich interessiert, die 'Machart' dieser Werbeprodukte zu analysieren und auf diesem Wege meine Wahrnehmungsfähigkeit zu verbessern.

Gewaltdarstellung auf einem Plakat
Für was dieses Plakat warb, weiß ich nicht mehr mit Sicherheit zu sagen. Ich weiß nur noch, dass mich das auch nicht besonders interessiert hat. Deshalb habe ich damals einen Ausschnitt gewählt, der alle Schrift ausblendet.
Ich wollte vor allem dokumentieren, dass hier öffentlich ein Mann dargestellt wurde, der mit ziemlich gefährlichen Waffen eine offenbar ahnungslose Frau von hinten angreift.

  Wenn der Angriff gelänge, würde das Publikum im nächsten Augenblick grauenerregende Bilder sehen. Die Beile würde Knochen zersplittern, Organe freilegen und zerstören. Das Plakat spielt also mit der Phantasie des Publikums, das sich angst-lustvoll den nächsten Moment vorstellt. Die Frage, ob ein solcher Angriff ein Verbrechen darstellt, tritt dabei völlig in den Hintergrund.
Piktogramm 'CAPITALISM TM'
Dieser Aufkleber ist ein spiegelverkehrtes 'Zitat' einer Ikone der Kriegsfotografie. Freilich ist das zitierte Original beinahe zu einem Piktogramm reduziert worden. Durch die Reduktion verliert es seinen historischen Kontext. Gleichzeitig erlangt die reduzierte Form aber nicht die Aussagekraft eines Piktogramms, sondern wird beliebig in der Botschaft und damit dienstbar für Umdeutungen.

  Die Umdeutung erfolgt durch eine Unterschrift, derer ein Piktogramm nicht bedürfte: CAPITALISM TM. Die Unterschrift gibt dem Schein-Piktogramm aber keine klare Bedeutung: Soll die rechte Figur den Kapitalismus, der tötet, symbolisieren? Ist der Aufkleber eine Aufforderung 'den Kapitalismus' zu 'töten'?
vgl. ähnliches Graffito
Werbung mit gewaltbezogenem Motiv
Das Bild zeigt einen Ausschnitt aus einem Plakat. Das Foto bricht das Rollenklischee 'Alte Frauen sind nicht gewalttätig'. Das beherrschende Motiv auf diesem Foto ist die drohend vorgereckte, altersfleckige Hand einer Frau, die wie eine amerikanische Granny aus der Provinz anmutet. Das Foto ist garniert mit provokativen Aufforderungen und Behauptungen, die man mit 'Sei kein Vielleicht-Mensch' oder 'Kein Vielleicht-Mensch schrieb je Geschichte' übersetzen kann. Diese Aussagen diskreditieren letztlich die Berechtigung von zögerlichen und wohlüberlegten Handlungen. Graphisch wirken die Felder mit den Forderungen ein wenig wie Protestplakate, die auf einer Demonstration getragen werden.

  Wenn man davon ausgeht, dass der Hersteller die KonsumentInnen seines Produkts mit den Qualitäten 'Entschlußfreudigkeit, Durchsetzungsstärke(bis zur rabiaten Handlungsweise) ' und vielleicht sogar 'herausragendes Engagement' verbinden will, dann kommt man schon auf der Grundlage der Informationen der Plakats nicht umhin festzustellen, dass der beherzte Entschluß, das beworbene Produkt zu konsumieren, 'tödlich sein kann'. Die Leserschaft möge selbst entscheiden, ob hier ein Fall von Zynismus, schwarzem Humor, unfreiwilliger Komik oder einer anderen, noch nicht erkannten Geisteshaltung vorliegt.

Werbung
Die Aufforderung, kein Vielleicht-Mensch zu sein, findet in der aktuellen Version der oben besprochenen Produktwerbung immer noch einen Platz, wenn auch an weniger zentraler Stelle. Dafür rückt jetzt zum Beispiel das Versprechen in den Vordergrund, dem den KonsumentInnen 'ECHTEN GESCHMACK' zu bieten.

  Das Publikum dürfte sich aber zu Recht fragen, was denn der Geschmack ist, von dem sich der 'echte Geschmack' vorteilhaft abgrenzen will. Ist es der 'falsche Geschmack'? Nochmal: Zynismus, schwarzer Humor, unfreiwillige Komik oder eine andere, noch nicht erkannte Geisteshaltung?


Vgl.: Reflexionen über eine Bierwerbung

Bitte werfen Sie auch einen Blick auf Charlie Dittmeiers Bericht über Stilblüten auf einem Werbeschild in Phnom Penh. Der Bericht datiert vom 14. September 2010. Der Link führt auf die letzte Notiz des Tagebuches. Bitte nach unten scrollen!
 
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